Marzi, Christoph by Fabula

Marzi, Christoph by Fabula

Autor:Fabula [Fabula]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


Colin kannte auch ihren Vater, allerdings nur aus der Ferne.

»Du hast ihr etwas Unsägliches angetan!« Das war es, was Giovanni Lassandri ihm zum Vorwurf machte. »Ich habe mein Kind noch niemals so gesehen, und du bist schuld daran.«

»Was ist denn passiert?« Colin konnte nicht verstehen, w'ovon er sprach.

Livia hatte sich seit Tagen nicht mehr gemeldet. In der Schule war sie auch nicht mehr gesehen worden, und die Orte, die sie normalerweise aufsuchte, waren verwaist.

»Es geht ihr ganz furchtbar elend.«

»Was ist denn los?«

»Das geht dich gar nichts mehr an!«

»Ich ...«

»Sie ist fort, und du wirst sie nie wiedersehen.«

Colin spürte, wie seine Welt kippte.

»Aber ...« Er hatte doch nichts getan.

»Verschwinde!« Giovanni Lassandi starrte ihn hasserfüllt an, und Colin erschauderte, weil er von einem fremden Menschen noch nie zuvor auf diese Weise angestarrt worden war. »Verschwinde und lass dich hier nie wieder blicken.«

Colin, der selten mutig war, nahm all seinen Mut zusammen. »Ich muss sie aber sehen.« Wir lieben uns, wollte er sagen, murmelte dann aber nur ein unsicheres: »Ich denke, dass auch sie das will.«

Giovanni Lassandri warf ihm nur einen bösen Blick zu, ging kurz ins Haus zurück, und Colin fragte sich einen Augenblick lang, ob er vielleicht doch mit Livia zurückkehren würde. Stattdessen hielt er plötzlich einen Schürhaken in der Hand, den er drohend hin und her schwang.

»Verschwinde!« Er zischte dieses eine Wort, nur: »Verschwinde!«, und das wiederholte er andauernd, während er mit dem Schürhaken auf den Jungen zuging. Nur dieses Wort, das schlimmer als nur eine Drohung und grausamer als ein Befehl war. Dieses eine Wort. Und es lag so viel Furcht und so viel Abscheu in diesem Wort, dass Colin sich ängstlich zu fragen begann, was Livia wohl zugestoßen sein könnte. »Verschwinde!« Der Schürhaken schlug nach ihm, und Colin blieb keine Wahl, als das Grundstück der Lassandris zu verlassen.

Völlig betrunken war er nach Ravenscraig zurückgekehrt, wo Helen Darcy ihn vor dem Bildnis des Soldaten im Moor abgefangen und mit der ihr eigenen Perfidie in diese entsetzliche Geschichte hineingezogen hatte, die ihn beinah um Leben und Verstand gebracht hätte.

Später, im Morgengrauen dann, hatte er in seinem Zimmer am Fenster gesessen und den Wipfeln der Bäume dabei zugesehen, wie sie sich im Wind wiegten. Dabei hatte sich ihm quälend die Frage aufgedrängt, die er sich als kleines Kind oft gestellt hatte, nämlich die, wie weh es wohl täte, einfach aus dem Fenster zu springen. Ravenscraig war ein großes Haus, und obwohl sich die Zimmer der beiden Jungs im ersten Stock befanden, würde er tief fallen. Wie oft schon hatte er diesen Gedanken gehabt? Und wie oft schon hatten ihn die Zweifel das Fenster wieder schließen lassen. Es war tief, ja. Aber wäre es tief genug? Und selbst wenn es ihm gelänge, nein, er könnte Danny hier nicht allein zurücklassen. Danny brauchte ihn.

Colin sprang nicht.

Er war noch nie gesprungen. In seinen Gedanken, ja, da hatte er es oft getan. Er hatte sich vorgestellt, wie er tot sein würde und seine Eltern voller Bedauern der Beerdigung beiwohnen würden. Ja, dann würde es ihnen leid tun, alles.



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